Das Wichtigste im Überblick
- Ab 7,5 Gramm reinem THC liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (nach wie vor - auch nach der Teillegalisierung) eine "nicht geringe Menge" vor, die zu deutlich schärferen Strafen führt
- Die Beweislast für die genaue THC-Konzentration liegt bei der Staatsanwaltschaft - ungenaue oder fehlerhafte Gutachten können zur Verfahrenseinstellung führen
- Frühzeitige anwaltliche Beratung ist entscheidend, da bereits im Ermittlungsverfahren wichtige Weichenstellungen für das weitere Verfahren getroffen werden
Relevanz des Themas
Die Unterscheidung zwischen „geringer“ und „nicht geringer Menge“ bei THC-haltigen Betäubungsmitteln gehört zu den komplexesten und folgenreichsten Abgrenzungen im deutschen Betäubungsmittelstrafrecht. Diese scheinbar technische Differenzierung entscheidet maßgeblich über das Strafmaß und kann den Unterschied zwischen einer Geldstrafe und einer mehrjährigen Freiheitsstrafe bedeuten.
In der Praxis führt die Bewertung, ob eine „nicht geringe Menge THC“ vorliegt, regelmäßig zu aufwändigen forensischen Gutachten, komplexen Rechtsstreitigkeiten und nicht selten zu Verfahrensfehlern, die eine erfahrene Verteidigung nutzen kann. Für Betroffene ist es daher von entscheidender Bedeutung, die rechtlichen Grundlagen zu verstehen und ihre Verteidigungsrechte zu kennen.
Rechtliche Grundlagen
Die neue Rechtslage seit dem 01.04.2024
Seit dem 1. April 2024 gilt eine grundlegend veränderte Rechtslage für Cannabis in Deutschland. Das Konsumcannabisgesetz (KCanG) und das Medizinalcannabisgesetz (MedCanG) haben das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) für den Bereich Cannabis weitgehend abgelöst. Cannabis fällt nun nicht mehr unter die Anlage I des BtMG.
Wichtige Neuerungen:
- Der private Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis ist für Erwachsene straffrei, am Wohnsitz sind bis zu 50 Gramm gestattet
- Der Anbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen pro Person ist erlaubt
- Cannabis-Clubs (Anbauvereinigungen) sind unter bestimmten Voraussetzungen legal
Anwendungsbereich der verschiedenen Gesetze
Konsumcannabisgesetz (KCanG): Regelt den legalen Umgang mit Cannabis für Erwachsene, einschließlich Besitz, Eigenanbau und Abgabe durch Anbauvereinigungen.
Medizinalcannabisgesetz (MedCanG): Regelt die medizinische Verwendung von Cannabis und Cannabis-Arzneimitteln.
Die Rechtsprechung zur „nicht geringen Menge“
Der Bundesgerichtshof hat festgelegt, dass bei Cannabis-Produkten eine „nicht geringe Menge“ vorliegt, wenn der reine THC-Gehalt 7,5 Gramm oder mehr beträgt. Diese Grenze bezieht sich ausdrücklich nicht auf das Bruttogewicht der sichergestellten Substanz, sondern auf den tatsächlichen Wirkstoffgehalt. Es kommt zu einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren (§ 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG).
Hauptaspekte und wichtige Teilbereiche
Besonders problematisch wird die Bewertung, wenn verschiedene THC-haltige Produkte gemeinsam sichergestellt werden. Die Rechtsprechung addiert hierbei die jeweiligen THC-Gehalte der einzelnen Positionen. Dies kann dazu führen, dass mehrere kleinere Mengen unterschiedlicher Cannabis-Produkte zusammen die 7,5-Gramm-Schwelle überschreiten.
Abgrenzung zu anderen Cannabinoiden
Die forensische Analyse muss streng zwischen THC und anderen Cannabinoiden wie CBD unterscheiden. Gutachten, die diese Differenzierung nicht vornehmen oder verschiedene Cannabinoide vermischen, sind rechtlich angreifbar.
Praktische Tipps für Betroffene
Verhalten bei Durchsuchung und Sicherstellung
Schweigen Sie zu allen Vorwürfen: Machen Sie keine Angaben zur Menge, Herkunft oder zum THC-Gehalt der sichergestellten Substanzen. Selbst scheinbar entlastende Aussagen können später belastend verwendet werden.
Fordern Sie die Versiegelung der Asservate: Stellen Sie sicher, dass die sichergestellten Substanzen ordnungsgemäß versiegelt und dokumentiert werden. Fehler bei der Asservierung können später zu Beweisverwertungsverboten führen.
Notieren Sie sich alle Details: Dokumentieren Sie den Ablauf der Durchsuchung, die Namen der beteiligten Beamten und alle besonderen Vorkommnisse.
Nach der Sicherstellung
Sofortige anwaltliche Beratung: Kontaktieren Sie umgehend einen im Betäubungsmittelstrafrecht erfahrenen Strafverteidiger. Bereits die ersten Schritte im Ermittlungsverfahren können entscheidend für den weiteren Verlauf sein.
Akteneinsicht beantragen: Durch frühzeitige Akteneinsicht können Sie sich einen Überblick über die Vorwürfe und Beweismittel verschaffen. Dies ist die Grundlage für eine effektive Verteidigungsstrategie.
Keine voreiligen Geständnisse: Warten Sie die Ergebnisse der forensischen Untersuchung ab, bevor Sie sich zu den Vorwürfen äußern. Oft stellt sich heraus, dass die Beweislage schwächer ist als zunächst angenommen.
Aktuelle Entwicklungen im Recht
Auswirkungen der Cannabis-Teillegalisierung
Das Konsumcannabisgesetz (KCanG) und das Medizinalcannabisgesetz (MedCanG), die am 1. April 2024 in Kraft getreten sind, haben die Rechtslage fundamental verändert:
Legale Bereiche seit 01.04.2024:
- Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für Erwachsene (privater Bereich: 50 Gramm)
- Eigenanbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen pro Person
- Abgabe durch lizensierte Anbauvereinigungen
- Medizinische Verwendung nach MedCanG
Die gesellschaftliche und politische Diskussion um die Teillegalisierung beeinflusst auch die Rechtspraxis. Gerichte zeigen zunehmend Verständnis für verhältnismäßige Strafen, insbesondere bei Ersttätern oder bei konsumnahen Delikten, die knapp außerhalb der legalen Bereiche liegen. Durch die hanebüchene und rechtlich kaum noch nachvollziehbare Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur nicht geringen Menge ergibt sich jedoch das paradoxe Ergebnis, dass es nur noch eine schmale Trennlinie zwischen noch legalen und bereits besonders schweren Fällen gibt.
Neue Herausforderungen durch synthetische Cannabinoide
Ein wachsendes Problem stellen synthetische Cannabinoide dar. Diese künstlich hergestellten Substanzen fallen oft unter das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) und nicht unter das BtMG. Die Abgrenzung zwischen natürlichen und synthetischen Cannabinoiden erfordert spezialisierte Analyseverfahren und kann zu komplexen Rechtsfragen führen.
Checkliste: Handlungsempfehlungen für Betroffene
Sofortmaßnahmen bei Ermittlungsverfahren
- Rechtsanwalt kontaktieren: Wenden Sie sich umgehend an einen spezialisierten Strafverteidiger, idealerweise noch vor der ersten polizeilichen Vernehmung.
- Aussage verweigern: Machen Sie keine Angaben zur Sache, auch nicht zu scheinbar harmlosen Details.
- Akteneinsicht beantragen: Verschaffen Sie sich durch Ihren Anwalt einen vollständigen Überblick über die Ermittlungsergebnisse.
- Gutachten prüfen lassen: Lassen Sie forensische Gutachten durch einen Experten überprüfen – oft finden sich Schwachstellen in der Analyse.
Langfristige Verteidigungsstrategie
- Beweiswürdigung analysieren: Prüfen Sie, ob alle Beweismittel rechtmäßig erlangt wurden und verwertbar sind.
- Verfahrensabsprachen erwägen: In geeigneten Fällen kann eine Verfahrensabsprache zu einem milderen Urteil führen.
- Soziale Umstände dokumentieren: Sammeln Sie Belege für Ihren Lebenswandel, berufliche Situation und soziales Engagement – dies kann sich strafmildernd auswirken.
- Nachtatverhalten beachten: Zeigen Sie durch Ihr Verhalten nach der Tat, dass Sie die Vorwürfe ernst nehmen und Unrechtseinsicht haben.
Als erfahrener Strafverteidiger kann ich Ihnen dabei helfen, Ihre Rechte effektiv durchzusetzen und eine optimale Verteidigungsstrategie zu entwickeln. Die komplexe Rechtslage bei Betäubungsmittelverfahren erfordert spezialisierte Kenntnisse und Erfahrung im Umgang mit forensischen Gutachten.
Verfahrensrechtliche Besonderheiten
Besonderheiten im Ermittlungsverfahren bei schweren Cannabisdelikten
Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen: Bei Verdacht auf Handel mit nicht geringer Menge können weitreichende Ermittlungsmaßnahmen wie Telefonüberwachung, Observation oder der Einsatz verdeckter Ermittler angeordnet werden.
Durchsuchungen: Die Schwelle für die Anordnung von Durchsuchungen ist niedrig. Bereits der begründete Verdacht auf Besitz kann eine Durchsuchung rechtfertigen.
Beschlagnahme und Asservierung: Die ordnungsgemäße Dokumentation und Lagerung der sichergestellten Substanzen ist von entscheidender Bedeutung für die spätere Verwertbarkeit der Beweise.
Handlungsempfehlung
Die Abgrenzung zwischen „geringer“ und „nicht geringer Menge“ bei THC-haltigen Betäubungsmitteln ist eine der komplexesten Materien im deutschen Strafrecht. Die erheblichen Strafschärfungen bei Überschreitung der 7,5-Gramm-Grenze machen eine spezialisierte Verteidigung unerlässlich.
Die Beweislast der Staatsanwaltschaft, den exakten THC-Gehalt nachzuweisen, bietet erfahrenen Verteidigern vielfältige Ansatzpunkte. Fehlerhafte Gutachten, unzureichende Probenahmeverfahren oder methodische Schwächen in der forensischen Analyse können zu Verfahrenseinstellungen oder erheblichen Strafmilderungen führen.
Entscheidend ist eine frühzeitige und umfassende Beratung bereits im Ermittlungsverfahren. Die ersten Weichenstellungen in einem BtMG-Verfahren sind oft entscheidend für den weiteren Verlauf und das Endergebnis.
Eine umgehende Beratung kann entscheidend dazu beitragen, Ihre Rechte zu wahren und das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
Häufig gestellte Fragen
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine "nicht geringe Menge" bei 7,5 Gramm reinem THC vor. Dies bezieht sich nicht auf das Bruttogewicht des Cannabis-Produkts, sondern auf den tatsächlichen Wirkstoffgehalt.
Der THC-Gehalt wird durch forensische Laboruntersuchungen mittels spezieller Analyseverfahren bestimmt. Dabei werden repräsentative Proben der sichergestellten Substanzen chemisch untersucht. Die Qualität und Genauigkeit dieser Gutachten ist oft angreifbar.
Ja, forensische Gutachten können überprüft und angegriffen werden. Häufige Ansatzpunkte sind fehlerhafte Probenahmeverfahren, unzureichende Qualitätskontrollen oder methodische Schwächen in der Analyse. Ein Privatgutachten kann Schwachstellen aufdecken.
Die Rechtsprechung addiert die THC-Gehalte aller sichergestellten Cannabisprodukte. So können mehrere kleinere Mengen verschiedener Produkte zusammen die 7,5-Gramm-Schwelle überschreiten und eine "nicht geringe Menge" begründen.
Ja, unter bestimmten Umständen sind Verfahrenseinstellungen möglich. Dies kommt insbesondere bei schwacher Beweislage, konsumnahen Delikten oder bei der Mitwirkung an der Aufklärung in Betracht. Die Aussichten müssen im Einzelfall geprüft werden.
Nein, Sie haben das Recht zu schweigen und sollten von diesem Recht konsequent Gebrauch machen. Machen Sie keine Angaben zur Menge, Herkunft oder zum THC-Gehalt der sichergestellten Substanzen. Kontaktieren Sie umgehend einen Anwalt.
Die Dauer forensischer Untersuchungen variiert erheblich, typischerweise zwischen 3 und 12 Monaten. In komplexen Fällen oder bei hohem Arbeitsaufkommen der Labore kann es noch länger dauern. Diese Zeit sollte für die Vorbereitung der Verteidigung genutzt werden.
Seit dem 1. April 2024 ist Cannabis teilweise entkriminalisiert. Das Konsumcannabisgesetz (KCanG) erlaubt Erwachsenen den Besitz von bis zu 25 Gramm bzw. 50 Gramm Cannabis sowie den Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen. Bei größeren Mengen, gewerbsmäßigem Handel oder Abgabe an Minderjährige besteht jedoch weiterhin Strafandrohung.





